Den Schlüssel zu einer gerechten Aufteilung des Familienvermögens haben Eltern selbst in der Hand. (Illustration: Jörn Kaspuhl)

Den Schlüssel zu einer gerechten Aufteilung des Familienvermögens haben Eltern selbst in der Hand. (Illustration: Jörn Kaspuhl)

Bei der Weitergabe von Vermögen an die nächste Generation lauern viele Fallen

Geschwisterfehden und Generationenkonflikte um das Familienvermögen sind nicht nur guter Stoff für Romane, sondern spielen sich auch in der Realität vielfach ab – dabei gibt es zum Teil einfache Strategien, den Frieden zu wahren.

Anne-Barbara Luft
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Der Patron eines Schweizer Traditionsunternehmens möchte die Führung der Firma an die dritte Generation weitergeben. Er hat mehrere kluge und geschäftstüchtige Kinder. Das Aktienkapital lässt sich zwar aufteilen, aber wer bekommt die Mehrheit? Wer übernimmt die Geschäftsführung? Eine weitere Sorge treibt den Patron um: Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Weitergabe der Firma, die er bereits von seinem Vater übernommen hat? Und wie kann er verhindern, dass seine Kinder das Familienvermögen mit Prasserei oder Leichtsinn durchbringen?

Ein grosses Vermögen zu besitzen und es an seine Kinder und Enkel weitergeben zu können, ist ein grosses Glück. Der Prozess der Vermögensübergabe an die nächste Generation ist allerdings voller Stolpersteine. Es ist wichtig, diese zu kennen und Strategien zu entwickeln, sie zu umgehen. Die Verantwortung dafür, dass sich dieser Prozess möglichst reibungslos vollzieht, liegt sowohl bei der gebenden als auch bei der empfangenden Generation.

Sorgloser Umgang mit Geld

Man muss sich nicht alles leisten, was man sich leisten kann. Wer sich wünscht, dass die jüngere Generation einen guten Umgang mit einem grossen Vermögen lernt, muss ein gutes Vorbild sein. Ein «normales» Leben zu führen, auch wenn man über ein grosses Vermögen verfügt, fällt vielleicht nicht jedem leicht. Wenn die Eltern aber eher sorglos mit dem Besitzstand umgehen, dann werden die Kinder dieses Verhalten verständlicherweise übernehmen. Wer seinen Kindern ein Leben in Saus und Braus vorlebt, geht zudem das Risiko ein, deren Selbstbewusstsein zu schwächen. Nämlich dann, wenn die Nachkommen realisierten, dass sie mit ihrem ersten selbstverdienten Lohn den Lebensstil der Eltern nicht fortführen könnten und sich dies für die Kinder wie ein Abstieg anfühle, sagt Jorge Frey, Autor des Buchs «Von Geld und Werten».

Das falsche Timing

Den richtigen Zeitpunkt für die Weitergabe des Familienvermögens zu bestimmen, ist nicht leicht. Befinden sich die Kinder noch in der Ausbildung und im Prozess der Loslösung vom Elternhaus, ist es noch zu früh. Die Nachkommen sind überfordert. Wird die Verantwortung zu früh übertragen, kann es auch passieren, dass die Töchter und Söhne nicht ihren eigenen Weg einschlagen und vielleicht einen Beruf lernen, der ihnen nicht zusagt. Das kann dazu führen, dass sie nicht genug Selbstvertrauen entwickeln.

Wenn man hingegen nicht loslassen kann und wartet und wartet, bringt das Vermögen für die nachkommende Generation irgendwann keinen Nutzen mehr. Eine solche Situation kann auch dann entstehen, wenn man das Vermögen erst mit seinem Ableben als Erbschaft an seine Kinder weitergeben möchte. Wer so glücklich ist, ein hohes Alter zu erreichen, dessen Erbe geht vielleicht an einen Grossvater über, der selbst schon ein hohes Alter erreicht hat. Dabei wäre das Vermögen für eine junge Familie, die vielleicht eine Immobilie kaufen, sich selbständig machen möchte oder die Ausbildung der Kinder finanzieren muss, deutlich nützlicher. Einige Familienmitglieder, die des Wartens leid sind, könnten sich aus Frustration gegen eine Stelle im Familienunternehmen entscheiden oder wollen auch mit der Verwaltung des Vermögens nichts mehr zu tun haben.

Mangelnde Kommunikation

Bei der Weitergabe des Familienvermögens spielen Werte eine grosse Rolle. Es ist wichtig, seinen Kindern zu vermitteln, was Sinn und Zweck des Familienbesitzes ist. Eine intensive Kommunikation über Vermögen, Werte und dessen Umgang sollte regelmässig stattfinden. Im Idealfall ist diese Kommunikation nicht einseitig, sondern es findet ein Dialog zwischen den Generationen statt, der zu gemeinsamen Entschlüssen und Taten führt. Hilfreich ist es, wenn aus diesem Dialog ein Regelwerk entsteht, an das sich die Familienmitglieder konsequent halten.

Auch eine schlechte Diskussionskultur kann dem Prozess der Vermögensübergabe nachhaltig schaden. Es ist unmöglich, einen gemeinsamen Weg zu finden, wenn unterschiedliche Einstellungen zu Geldfragen innerhalb der Familie gleich zu Streit führen und eine gemeinsame Diskussion nicht stattfindet. In einigen Situationen wollen Kinder an dem gemeinsamen Prozess der Vermögensübergabe dann nicht mehr teilhaben. Auch das sollte möglich sein, sagt Frey, der beim Marcuard Family Office den Bereich Family Governance verantwortet. Vielleicht ist eine Annäherung zu einem späteren Zeitpunkt oder unter neuen Voraussetzungen dann wieder möglich.

Kein Raum für Unabhängigkeit

Ein guter Posten im Familienunternehmen sieht auf den ersten Blick sehr attraktiv aus. Nicht für jedes Kind ist dies aber der richtige Weg. Eltern sollten versuchen, den Nachkommen trotz dem Familienvermögen oder einem Familienunternehmen so viel Freiraum zu lassen, dass sie ihren eigenen, unabhängigen Weg gehen können. Der Einstieg ins Familienunternehmen sollte auf jeden Fall eine Option sein, doch für das Selbstbewusstsein der Kinder ist es hilfreich, andere Möglichkeiten zu prüfen. Die Karriere bei einer anderen Firma zu beginnen oder für einige Zeit im Ausland zu arbeiten, sind sehr gute Möglichkeiten, erst einmal auf eigenen Beinen zu stehen.

Zu viel Einflussnahme

Nicht selten versuchen Eltern auch noch, testamentarisch ihre Kinder zu erziehen. Von solchen Strategien ist dringend abzuraten. Beispielsweise will niemand eine Stiftung erben, wenn man nicht hinter deren ideellem Wert steht. Alle Details über das Erbe sollten unbedingt zu Lebzeiten mit den Nachkommen besprochen werden, und die Kinder sollten mit dem Nachlass einverstanden sein. Eltern sollten sich vor Augen führen – auch wenn dieser Gedanke selbstverständlich schmerzt –, dass sie bei der Testamentseröffnung für klärende Gespräche nicht mehr zur Verfügung stehen. Alle Überlegungen, die hinter einer eventuell strittigen Entscheidung stehen, müssen zu Lebzeiten offengelegt werden.

Ungleichbehandlung

Nichts schmerzt bei der Übergabe des Vermögens an die nächste Generation mehr als der Eindruck, weniger gut behandelt oder informiert zu werden als die Geschwister. Eine solche Ungleichbehandlung wird als mangelnde Zuneigung ausgelegt und kann zu Streit zwischen den Eltern und Kindern und Neid zwischen den Geschwistern führen. Die ältere Generation sollte daher anstreben, die Nachkommen gleich zu behandeln. Das ist bei Vermögenswerten, die nicht teilbar sind, naturgemäss nicht einfach. So kann beispielsweise ein Haus in vielen Fällen nur an ein Kind weitergegeben werden. Solche Schenkungen müssen – nicht nur aus juristischen Gründen – durch andere Vermögenswerte ausgeglichen werden. Das Gleiche gilt für Vorbezüge auf das Erbe.

Besonders schwierig ist die Situation bei der Weitergabe der Aktienmehrheit und der Führung eines Familienunternehmens. Neben der Kompensation der Geschwister, die auf diese Position verzichten, gibt es noch andere Strategien. Das Kind, das die Familienfirma übernimmt, kann beispielsweise dazu verpflichtet werden, die Anteile zu erwerben. Der erfolgreiche Verkauf der Firma sichert die Rückzahlung des Darlehens. Die Übernahme der Firma ist also mit einem Risiko und grosser Verantwortung verbunden, während die Geschwister, die «nur» Bargeld erhalten haben, dieses ohne weitere Anstrengungen geniessen können.

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